Deutsch im Kurs vs. Deutsch im Alltag – das hörst du jeden Tag
- Charlotte 
- vor 17 Stunden
- 6 Min. Lesezeit
Kennst du das? Im Deutschkurs oder in meinem Podcast verstehst du alles. Aber dann gehst du auf die Straße … und die Leute sprechen ganz anders.
Im Kurs lernst du zum Beispiel: „Ich gehe spazieren, weil es warm ist“ – und dann hörst du: „Ich gehe spazieren, weil es ist warm.“ Ja – was denn nun?
Im Alltag sprechen viele Deutsche anders als im Lehrbuch. Das ist normal, das ist in jeder Sprache so. Es liegt also nicht an dir, wenn dich das erst einmal verwirrt.
Genau darum geht es in diesem Artikel: um das Deutsch, das du nicht im Kurs, sondern im wahren Leben hörst – über Alltagsdeutsch.
Hier kannst du die passende Episode im Uplevel Your German Podcast anhören:
„weil“ im Alltag und in der Standardsprache
Stell dir vor, es ist 12 Uhr, du bist im Büro und eine Kollegin kommt zu dir: „Du, ich geh jetzt essen, weil ich habe echt Hunger. Kommst du mit?“
Du hörst den Satz, du verstehst ihn sofort – und gleichzeitig erinnerst du dich: Im Kurs hieß es doch anders.
Genau. Im Kurs lernen wir die Standardsprache. Im Alltag rutschen Wörter manchmal nach vorne, kleine Füllwörter kommen dazu, und manchmal findest du in bestimmten Regionen eigene Varianten.
Lass uns mit „weil“ anfangen. Im Kurs lernst du: „Ich gehe essen, weil ich Hunger habe.“ „weil“ leitet einen Nebensatz ein, und deshalb kommt „habe“ ganz ans Ende. Aus „Ich habe Hunger“ wird „weil ich Hunger habe“.
Im echten Leben hörst du dann: „Ich gehe essen, weil ich habe Hunger“ oder „… weil die Kantine macht bald zu.“ Was passiert hier? Sprechen ist schnell. Viele lassen das Verb einfach vorn und machen aus dem zweiten Teil im Grunde wieder einen Hauptsatz.
Korrekt – und stilistisch sehr klar – wäre die Variante mit „denn“: „Ich gehe essen, denn ich habe Hunger“ oder „… denn die Kantine macht bald zu.“ Gleichzeitig klingt „weil“ im Alltag oft natürlicher, weil wir beim Sprechen nicht den ganzen Satz durchplanen.
Wir fangen an, ein Gedanke kommt dazu, und der erste Teil ist schon gesagt.
Deshalb hörst du Sätze wie: „Ich gehe essen … weil … ach, du, ich hab solchen Hunger, ich habe noch nichts gefrühstückt.“
Oder: „Ich gehe essen, weil … die Kantine macht ja heute früher zu – du, fast hätte ich das vergessen, ich hatte heute Vormittag einen Termin nach dem anderen.“ Wenn du das aber genau so am nächsten Tag in einer E-Mail an diese Kollegin schreibst, wirkt es wahrscheinlich merkwürdig.
Für E-Mails, Briefe, Prüfungen und formelle Gespräche bleibst du also bei „weil es warm ist“. Aber du weißt jetzt: Beim Sprechen gibt es beide Varianten, und du kannst sie entspannt verstehen.
„wo“ im Relativsatz: Ort, Zeit und regionale Varianten
In der Umgangssprache hörst du „wo“ nicht nur als Fragewort wie in „Wo ist der Bahnhof?“, sondern auch in Relativsätzen. Oft geht es dabei um Orte: „Die Arztpraxis ist in dem Haus, wo auch der Supermarkt ist.“
In der Standardsprache sagst du: „… in dem auch der Supermarkt ist.“ Der vollständige Satz lautet dann: „Die Arztpraxis ist in dem Haus, in dem auch der Supermarkt ist.“
Ein anderes Beispiel: „Das ist der See, wo wir Urlaub gemacht haben.“ In der Prüfung sagst du besser: „Das ist der See, an dem wir Urlaub gemacht haben.“
Manchmal geht es nicht um den Ort, sondern um die Zeit: „Zu der Uhrzeit, wo mein Sohn nach Hause kommt, bin ich noch im Büro.“ Standardsprache wäre: „Zu der Uhrzeit, zu der mein Sohn nach Hause kommt, bin ich noch im Büro.“

In Süddeutschland sowie in der Schweiz und in Österreich hörst du „wo“ noch häufiger – sogar bei Personen: „Meine Chefin ist die Frau, wo ein gelbes Kleid anhat.“ Du begegnest auch der Form „die wo“: „Meine Chefin ist die Frau, die wo ein gelbes Kleid anhat.“
Wenn du solche Formen hörst, weißt du: Das ist Umgangssprache. Mündlich ist das völlig in Ordnung, aber schriftlich funktioniert es nicht. Da benutzt du die Grammatik, die du im Kurs gelernt hast – also „der/die/das“ oder eine Präposition mit Relativpronomen wie „in dem“, „an dem“ oder „zu der“.
„Ich bin am Arbeiten“: gesprochener Progressiv
Machen wir weiter. „Ich bin am Arbeiten.“ Oder: „Nächste Woche möchten wir eine Party machen. Wir sind gerade am Planen, was wir einkaufen müssen.“
Das bedeutet nicht, dass du direkt physisch „an“ etwas stehst, sondern: Du tust es gerade, oft mit dem Gefühl von „ich bin mittendrin“. Beim Schreiben verwendet man eher: „Ich arbeite gerade“ oder „Wir planen gerade.“
Besitz im Alltag: „dem Ludwig sein Haus“
Beim Besitz – also wenn du sagst, wem etwas gehört – hörst du oft: „Dem Ludwig sein Haus ist groß“ oder „Der Lisa ihre Haare sind blond.“ Für mich persönlich klingt das falsch, aber es ist eben Umgangssprache, und du hörst es immer wieder.
In der Standardsprache sagst du: „Ludwigs Haus ist groß“ oder „Das Haus von Ludwig ist groß.“ Und: „Lisas Haare sind blond“ oder „Die Haare von Lisa sind blond.“
Wenn klar ist, um welche Person es geht, hörst du sogar: „Dem sein Haus ist groß“ oder „Der ihre Haare sind blond.“ Richtig ist hier der Genitiv: „Dessen Haus ist groß“ und „Deren Haare sind blond.“
In der Umgangssprache kommen außerdem Sätze vor wie: „Die Jacke ist dem Thomas. Der Pulli ist der Tina.“ In der Standardsprache ist es viel einfacher: „Die Jacke ist von Thomas“ und „Der Pulli ist von Tina.“ Es ist super, wenn du diese Formen verstehst – nachmachen musst du sie nicht.
„wegen dem“ oder „wegen des“: was du schreiben solltest
Ein sehr häufiger Fehler ist „wegen dem“. „Wegen dem Regen bleiben wir zu Hause“ hörst du oft. Im Kurs hast du gelernt: „Wegen des Regens bleiben wir zu Hause.“
Für Alltagsgespräche ist „wegen dem“ verbreitet. Für viele Menschen klingt es aber nicht richtig, und in formellen Texten brauchst du immer den Genitiv.
Mein Tipp: Verwende einfach den Genitiv. Dann musst du nicht eine mündliche und eine schriftliche Variante im Kopf haben.
Vergleiche im Deutschen: „so … wie“ und „… als“
Als Nächstes kommen wir zu Vergleichen. Hier gibt es eine klare Regel, die sehr praktisch ist: „so … wie“ steht für Gleichheit, „… als“ für Ungleichheit. Also: „Ich bin so groß wie du“ – „Ich bin größer als du.“
Wenn jemand sagt: „Ich bin größer wie du“, verstehst du das natürlich. Schreiben würdest du aber „als“. Ein weiteres Beispiel: „Bild A ist schön, Bild B ist schöner.“ Korrekt lautet der Vergleich: „Bild B ist schöner als Bild A.“ Im Alltag hörst du manchmal: „Bild B ist schöner wie Bild A.“

‚wen‘ oder ‚jemanden‘? – so schreibst du es richtig
Vielleicht hast du schon Sätze gehört wie: „Ich kenne wen, der auch so einen Hund hat“ oder „Kennst du wen, der Spanisch spricht?“ Diese Sätze verstehst du problemlos.
In Texten nimmst du aber nicht „wen“, sondern „jemanden“: „Ich kenne jemanden, der auch so einen Hund hat“ und „Kennst du jemanden, der Spanisch spricht?“
Kurze Formen in Gesprächen: warum sie funktionieren – und wann nicht
Im Deutschkurs lernst du: Jeder Satz braucht ein Verb. Und dann hörst du das neue Jugendwort: „Das crazy.“ Nicht: „Das ist crazy“ oder – ganz auf Deutsch – „Das ist verrückt“, sondern „Das crazy“.
Vielleicht denkst du: Na ja, Jugendsprache ist eben nicht korrekt. Aber auch Erwachsene sagen, denen gutes Deutsch wichtig ist, sagen kurze Sätze wie „Alles klar, bis später“ oder „Keine Ahnung“.
In einem formellen Brief würdest du diese Sätze natürlich nicht so schreiben. „Das crazy“ schon gar nicht, wenn du kein Jugendlicher bist, aber auch die anderen Formulierungen würdest du umformulieren und ein Verb hinzufügen.
Fazit
Es gibt einen Unterschied zwischen Standarddeutsch und gesprochenem Deutsch. Ist das gesprochene Deutsch deswegen falsch?
Ich habe gesagt, dass manche Sätze für mich falsch klingen. Aber natürlich bin ich nicht der Maßstab.
Es ist wie bei der Kleidung: Es gibt Dinge, die ich persönlich schön finde oder nicht so schön – das macht sie nicht richtig oder falsch.
Und natürlich benutze auch ich die Umgangssprache. Bestimmt habe ich sogar in dieser Podcast-Episode Sätze gesagt, die ich in einem Buch anders schreiben würde.
Was bedeutet das für dich im Alltag?
Standardsprache ist auf jeden Fall korrekt. Sie wird geschrieben – und natürlich auch gesprochen. Du kannst also immer sagen: „Ich gehe essen, weil ich Hunger habe.“ Das ist nie falsch.
Umgangssprache oder Alltagssprache ist spontaner und – wie der Name schon sagt – du hörst sie überall im Alltag. Im formellen Kontext benutzt du sie nicht, da brauchst du Standarddeutsch.
Beides zu kennen macht dich sicher: Du verstehst, was Menschen sagen, und du wählst die Variante, die zur Situation passt.
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