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Notruf auf Deutsch: Warum wir 110 und 112 wählen

Egal, ob zu Hause oder im Straßenverkehr: Ein Unfall ist schnell passiert.

Und dann?

Ganz klar: In so einer Situation nehmen wir das Handy und wählen 110 oder 112. Und wir wissen: Dann kommt Hilfe.

Aber hast du dich schon mal gefragt, warum diese Nummern eigentlich so sind?

Warum ruft man in Deutschland bei der Polizei die 110 und bei einem medizinischen Notfall oder bei Feuer die 112?

Und: Seit wann gibt es das überhaupt?


Weil das hier der Blogbeitrag zu meiner Podcast-Episode Nummer 110 ist, dachte ich mir: Das ist die perfekte Gelegenheit, um genau über dieses Thema zu sprechen.


Solche Themen besprechen wir normalerweise im CharLingua Sprachclub – also Dinge, die im Alltag wichtig sind und/oder über die man leicht ins Gespräch kommt.


Nächste Woche geht es dort auch genau darum: um Notfälle und den Rettungsdienst.

Aber heute erfährst auch du, wie die Notrufnummern 110 und 112 entstanden sind, wer dahintersteht – und warum sie jeden Tag Leben retten.


Hier kannst du die passende Episode im Uplevel Your German Podcast anhören:



Die Anfänge der Notrufnummern

Die Geschichte der Notrufnummern beginnt schon in den 1930er-Jahren. Damals gab es in Deutschland noch Vermittlungsstellen – also Menschen, die Telefonverbindungen manuell hergestellt haben.


Neben normalen Telefonnummern richtete man sogenannte Servicenummern ein, zum Beispiel die Nummer 101, mit der man die Vermittlung erreichen konnte.


Zwanzig Jahre später, in den 1950er-Jahren, wurde dann die 110 als Notrufnummer für die Polizei festgelegt.

Die 111 wollte man ursprünglich für einen anderen Dienst nehmen, aber das ging technisch nicht, weil es drei Einsen hintereinander waren – also „eins-eins-eins“ – und das alte Telefonsystem konnte damit nicht umgehen.


Deshalb übersprang man die 111 und wählte als nächste freie Nummer die 112 – für die Feuerwehr.

Seit 1956 gab es diese beiden Nummern offiziell in Deutschland.

Aber: Nur in ein paar großen Städten – in kleinen Orten war noch keine Notrufnummer verfügbar.


Das Ziel: bessere Notfallversorgung

Das Problem war also klar: Menschen in Dörfern oder kleineren Städten mussten oft selbst zur Polizei oder Feuerwehr fahren, um Hilfe zu holen.

Es gab kein zentrales System, keine einheitliche Nummer – und oft ging dadurch wertvolle Zeit verloren.


Viele Politiker sagten damals:

„Wir brauchen eine Lösung für das ganze Land.“

Aber es passierte nichts: Es hieß immer, das sei zu teuer und zu kompliziert.


Eine Familientragödie verändert alles

Und dann passierte etwas, das alles veränderte.

Am 3. Mai 1969 wurde der achtjährige Björn Steiger in einen Autounfall verwickelt.

Passanten riefen sofort Polizei und Rotes Kreuz, aber der Rettungswagen kam erst eine Stunde später.

Der kleine Björn starb – nicht an seinen Verletzungen, sondern an einem Schock, weil Hilfe zu spät kam.

Seine Eltern, Ute und Siegfried Steiger, waren natürlich am Boden zerstört. Aber sie sagten: So etwas darf nie wieder passieren.

Sie gründeten noch im selben Jahr die Björn-Steiger-Stiftung, um das Notfallsystem in Deutschland zu verbessern.

Ihr Ziel: Jeder Mensch soll in einem Notfall schnell Hilfe bekommen – egal, wo er lebt.


Der Kampf um eine einheitliche Notrufnummer

Die Steigers schrieben Briefe an Politiker, suchten Gespräche und erklärten, warum ein bundesweiter Notruf so wichtig ist.

Auch der damalige Bundespostminister Horst Ehmke unterstützte sie persönlich – aber politisch war es immer noch schwierig.

Damals war die Post für das Telefonnetz verantwortlich, denn es gab noch keine Telekom. Die Post war staatlich – deshalb war das ganze Thema politisch.

Viele im Bundestag sagten:

„Das ist zu teuer. Wir können uns das nicht leisten.“

In Wirklichkeit gab es aber keine konkreten Berechnungen – niemand wollte Verantwortung übernehmen.


Der Beweis: Es ist bezahlbar

Siegfried Steiger glaubte nicht, dass das wirklich zu teuer war.

Also fragte er 1973 bei der Oberpostdirektion Stuttgart nach:

„Wie teuer wäre es, wenn wir in ganz Nordwürttemberg eine Notrufnummer einführen?“

Nordwürttemberg – das ist eine Region im Süden von Deutschland.


Er bekam noch am selben Tag eine Antwort: 387.000 D-Mark.

Das war für die Stiftung allein viel Geld, aber wenn man die Summe auf 19 Landkreise und Städte aufteilte, war sie gut machbar.

Damit bewies Steiger:

Das Problem war nicht das Geld, sondern der politische Wille.


Die Klage: Aufmerksamkeit für das Thema

Glaubst du, dass die Politiker dann sofort gesagt haben: „Ach so, dann machen wir das!“?

Nein. Der Bundestag lehnte das Projekt kurz darauf wieder ab – mit der Begründung „zu teuer“.

Doch Steiger gab nicht auf. Er wollte, dass die ganze Bevölkerung erfährt, wie wichtig dieses Thema ist.

Also klagte er gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen das Land Baden-Württemberg – wegen „vorsätzlicher unterlassener Hilfeleistung“.


„Vorsätzliche unterlassene Hilfeleistung“ bedeutet, dass jemand bewusst keine Hilfe leistet, obwohl er helfen könnte – und dadurch Menschen in Gefahr bringt.


Zum Beispiel: Jemand sieht einen Unfall mit Verletzten. Es ist niemand anders da, der helfen könnte. Aber er fährt einfach weiter und hilft nicht, obwohl er es könnte. Das ist unterlassene Hilfeleistung.


Steiger wollte damit zeigen, dass auch der Staat nichts tut, obwohl er helfen könnte. Er wusste, dass seine Klage juristisch keine Chance hatte. Aber sie brachte, was er wollte: Aufmerksamkeit.


Zum Glück gab es einen jungen Richter, Siegfried Kasper, der ihn moralisch unterstützte.

Er sagte ganz deutlich: Dieses Problem ist nicht juristisch, sondern politisch – und es muss gelöst werden.


Die Medien berichteten darüber, und plötzlich sprach ganz Deutschland über das Thema.


Der Durchbruch

Der öffentliche Druck wurde immer größer. Und dann kam der entscheidende Tag: der 20. September 1973.


Die Ministerpräsidentenkonferenz – also das Treffen aller Regierungschefs der Bundesländer – beschloss die bundesweite Einführung der Notrufnummern 110 und 112.

Das war eine echte Zeitenwende.


Zum ersten Mal konnte man in ganz Deutschland bei einem Notfall einfach Hilfe rufen. Viele Leben wurden dadurch gerettet – und das gilt bis heute.


Rettungswagen der Feuerwehr mit der Notrufnummer 112 auf einer deutschen Straße – Symbolbild zum Thema Notruf in Deutschland.

Wie lange dauert Hilfe heute?

Wie lange es dauert, bis ein Krankenwagen kommt, hängt natürlich davon ab, wo man sich befindet. Die Leitstelle, die deinen Notruf entgegennimmt, schickt immer das nächstgelegene freie Fahrzeug.

Aber es kann trotzdem ein paar Minuten dauern.


Gesetzlich ist festgelegt, dass der Rettungsdienst innerhalb von 12 Minuten am Einsatzort sein muss.

In Städten klappt das oft schneller, auf dem Land manchmal etwas länger.


Aber im Vergleich zu früher ist das ein riesiger Fortschritt.


Der Blick nach Europa und in die Welt

Bis 1979 war ganz Deutschland mit den Nummern 110 und 112 versorgt.


Und dann ging es weiter:


1991 beschloss die Europäische Union, dass die 112 die einheitliche Notrufnummer in allen Mitgliedsstaaten wird.


Das bedeutet: In ganz Europa funktioniert die gleiche Nummer – 112.


Und sogar weltweit kann man in vielen Mobilfunknetzen 112 oder 911 wählen – beide führen zu einem Notruf.


Wenn du also im Ausland bist, musst du dir nur eine Nummer merken – 112.


Fazit

Die Geschichte der Notrufnummern finde ich so beeindruckend, weil sie zeigt:

Eine Idee – und der Mut einer einzelnen Familie – können das Leben von Millionen Menschen verändern.

Ohne die Björn-Steiger-Stiftung gäbe es wahrscheinlich bis heute kein so gut organisiertes Rettungssystem.


Wenn du das nächste Mal die 110 oder 112 siehst, dann denk vielleicht an die Menschen, die dafür gekämpft haben.


Wir hoffen natürlich alle, dass wir den Rettungsdienst nie brauchen – aber es ist einfach ein total wichtiges Thema.


Wortschatz

  • die Vermittlungsstelle – telephone switchboard

  • die Servicenummer – service number

  • die unterlassene Hilfeleistung – failure to render assistance

  • der Rettungsdienst – emergency medical service

  • die Leitstelle – emergency control center

  • der Einsatzort – scene of the incident


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Charlotte | CharLingua

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